Der Unfall 8 - Luskas Bücher

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Der Unfall 8

Buch 2
Als Emsy nach der dreistündigen Operation wieder zu sich kam, fühlte er sich elend. Er hatte grossen Durst und noch immer Schmerzen. An seinen Flanken entdeckte er lange Schnitte. Nun wusste er, was für Schnitte er da oben gespürt hatte. Allerdings musste er feststellen, dass das Bein wieder in seiner ursprünglichern Halterung sass. Igitt, wie sah er denn aus? Sein ganzes Hinterteil war geschoren. Er sah ja aus wie ein kleines Schweinchen. Sein linkes Hinterbein war dick und fest eingepackt. Allmählich kam er wieder zu sich. Auch wenn er noch alles verschwommen wahrnahm, fühlte er die freundlichen Hände, die nach ihm griffen. Eine Frau sprach mit sanften Worten auf den tapferen Kerl ein. An seiner Vorderpfote hing ein Schlauch, durch den Flüssigkeit in seine Adern floss. Diese Flüssigkeit brachte ihm Erleichterung. Die Schmerzen liessen wieder nach und er schlief langsam ein.

Endlich, nach mehr als 28 Stunden Wartezeit, klingelte das Telefon bei Tina. Emsy hatte die Operation gut überstanden. Wenn er nicht noch einen unerwarteten Rückfall erleidet, wird er vermutlich wieder gesund. Allerdings machte das verletzte Bein den Aerzten sehr zu schaffen. Dieses war derart zerschunden, dass es etliche Wochen ginge, bis er es wieder benutzen konnte. Fraglich war auch, ob die Wunde tatsächlich so sauber war wie man sie vorfand, oder ob sich noch eine Infektion ergeben würde. Trotz diesem Wenn und Aber und einer ungewissen Zukunftsperspektive, war Tina ein Stein vom Herzen gefallen. Sie informierte sofort die Freundinnen in der Firma DPD über den Verlauf der gelungenen Operation. Gross war auch die Freude dort und man beschloss, Emsy am kommenden Tag besuchen zu gehen. Natürlich würde es noch viele Tage dauern, bis Emsy aus dem Tierspital entlassen würde, doch nun war erstmals nur wichtig, dass der tapfere Kerl wieder gesund würde.

So bekam Emsy jeden Tag Besuch. Seine DPD-Freundinnen gingen über die Mittagszeit zu ihm. Da lag er nun, noch immer schwerst handicapiert, und schnurrte vor sich hin. Er freute sich sehr, als er seine Tagesmuttis begrüsste. Er war ihnen unsagbar dankbar und zeigte es ihnen mit unendlichem Schnurren. Meist kam auch noch Bettina zu Besuch. Auch sie blieb meistens eine Stunde, streichelte den kleinen Emsy und sprach mit ihm. So vergingen Tage und Emsy begann sich zu langweilen. Er musste den ganzen Tag im Käfig liegen, bekam seine Medikamente und gutes Essen. Aber sonst war es irre langweilig. Er wünschte sich, im Büro der DPD oder bei Tina zu sein. Da die Heilung Fortschritte machte, durfte Emsy nach einer knappen Woche nach Hause. Tina nahm ihn zu sich, wo er von seinen Geschwistern aufgeregt begrüsst wurde. Er hätte viel darum gegeben, auf dem Katzenbaum zu liegen, doch dieser war für ihn noch unerreichbar. Mit der frisch operierten Hüfte konnte er sich noch kaum bewegen. Also legte Tina das ganze Zimmer mit Decken und Kissen aus, damit Emsy bei einem allfälligen Sturz weich landen würde. Wenn sie zur Arbeit fuhr, schloss sie ihn ein, damit er ja nicht durch die Katzentüre entwischen konnte. In der Nacht nahm sie ihn zu sich ins Schlafzimmer, damit die anderen Katzen ungestört ein- und ausgehen konnte. Es war eine anstrengende Zeit für Tina. Mit Emsy im Schlafzimmer fand sie oft fast keinen Schlaf. Sie hatte grässliche Angst davor, dass der wilde Kerl auf den Katzenbaum oder das Bett klettern würde und versuchen würde, wieder runterzuspringen. Am Tag war sie dann müde. Dennoch brachte sie Emsy zuerst täglich, dann im Abstand von 3 - 4 Tagen zum Verbandswechsel in die Klinik. Noch immer sah das Hinterbein schrecklich aus. Erfreulich war allerdings, dass es sich nicht entzündet hatte. Sie wusste, dass es noch lange dauern würde, bis Emsy wieder der Alte war.

Nach etwa vier Wochen kamen Emsys Lebensgeister wieder. Er war kaum mehr haltbar in der Wohnung. Er hatte es satt, den ganzen Tag rumzusitzen. Dazu kam noch, dass draussen die Sonne schien. Es war Hochsommer und Emsy hätte sich liebend gern in die Sonne gelegt. Ohne Aufsicht war das aber nicht möglich, denn kaum schnupperte Emsy den Duft des Grases, zog ihn sein Instinkt nach draussen. War er mal dort draussen, versuchte er sofort, in Richtung DPD abzuwandern. Diese Firma war wie ein Magnet für ihn. Er hätte viel darum gegeben, bei seinen Freundinnen zu sein.
Tina konnte seinen Wunsch verstehen. Um ihm den „Hausarrest“ etwas erträglicher zu machen, lud sie seine Freundinnen zu sich ein. Gross war da die Freude, als Emsy seine Tagesmütter zum ersten Mal wieder sah. Nun wurde er wieder liebkost. Er durfte seinen grossen Kopf an ihre Stirn drücken. Mit ihren Fingern strichen sie ihm durchs Haar.

Auch wenn sie im ersten Moment Angst hatten, ihm wehzutun, genoss er ihre Aufmerksamkeit. Tina übergab ihnen einen Hausschlüssel. So konnten sie in ihrer Znüni- oder Mittagspause ganz unabhängig zu Emsy gehen. Dieses Angebot nutzten sie auch regelmässig. Der kleine Kater bekam mehr Besuch als manche Menschen im Spital. Nebst den Frauen der DPD kam auch regelmässig Dana zu Besuch. Das sechsjährige Nachbarsmädchen genoss es, den braven Emsy zu streicheln. Auch er mochte sie sehr. Sie spielten oft lange zusammen. Manchmal brachte sie ihm Leckerbissen, Spielmäuse oder gutes Fressen. Sie kam fast jeden Tag, wollte mitverfolgen, wie Emsy wieder gesund wurde. Er war der absolute King, umworben von den sieben nettesten Frauen dieser Welt. Mancher Mann hätte viel darum gegeben, an Emsys Stelle zu sein.

Je länger seine Rekonvaleszenz dauerte, desto grösser wurde sein Drang nach Freiheit. Für Tina war es kaum mehr auszuhalten. In der Nacht miaute Emsy laut, humpelte trotz verbundenem Bein von einer Katzentüre zur anderen. Er wollte raus, der Ruf der Natur machte ihn fast verrückt. Tina musste sich etwas einfallen lassen. So konnte das nicht weitergehen. Sie machte nachts oft kein Auge zu. Da kam ihr eine glorreiche Idee. Man musste Emsy müde machen, damit er in der Nacht schlief. Sie kaufte ein Katzengeschirr, in das man Emsy einspannen konnte. Mit dieser Katzenleine konnte man mit ihm spazieren gehen. Er durfte nun nach draussen, konnte die Sonne geniessen und hatte dennoch keine Möglichkeit abzuhauen.

So sah man jeden Abend ein interessantes Trio durch die Gegend wandern; ganz vorne ein humpelnder Kater mit Leine, dahinter eine stolze Dana und ganz hinten Tina, die ein wachsames Auge auf das Duo hielt. Wehe wenn man Emsy mal nicht fest im Griff hatte. Dann versuchte er sofort, den Weg Richtung DPD einzuschlagen. Diese zwei Kilometer hätte er nie geschafft, denn die Lauferei mit dem dicken Verband war sehr anstrengend. Er kam auch nur langsam voran. Nach diesen zwei- oder dreistündigen Spaziergängen war Emsy müde. Dann legte er sich zu Tina ins Schlafzimmer und schnarchte vor sich hin. Er träumte von der Nachbarskatze, deren Geschichte ihm Tina erzählt hatte.

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