Die Schwarze - Luskas Bücher

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Die Schwarze

Buch 5
Die Schwarze

Früher wurden schwarze Katzen gejagt, denn man glaubte, sie verkörperten den Satan. Viele von ihnen mussten einen schmerzvollen, tragischen Tod erleiden, obwohl sie absolut unschuldig und keineswegs ein Satanswerk waren.

Gott sei Dank hat sich diese Einstellung in den letzten Jahren geändert und schwarze Katzen werden lediglich noch als Voraussage für Unheil angesehen, wenn sie uns am Freitag, den 13., über die Strasse laufen.

Trotzdem haben es schwarze Tiere auch heute noch besonders schwer. So wie sie die einen wunderschön finden, können andere nicht begründen, woher ihre Abneigung kommt. Schwarze Katzen sind zwar ausgezeichnete Jäger, denn ihre schwarze Farbe ist in der Dämmerung die beste Tarnung. Die Mäuse und Vögel sehen die Schwarzen fast nicht, zumal sich die Tiere enorm ruhig verhalten können. Wenn die Katze sich lautlos angeschlichen hat und dann zum Sprung ansetzt, ist es für den kleinen Krabbler schon viel zu spät.

Leider wird ihnen ihre schwarze Farbe auch oft zum Verhängnis. Ein schwarzes Tier, das nachts die Strasse überquert, braucht einen besonders aufmerksamen Schutzengel. So ist es nicht verwunderlich, dass viele schwarze Tiere überfahren werden. Doch auch hier hat die Natur vorgesorgt. Sie hat den Tieren etwas gegeben, was sie schützen soll, ein paar weisse Haare. In der freien Natur gibt es sozusagen keine vollkommen schwarzen Tiere. Meistens finden wir bei schwarzen Katzen ein paar weisse Haare. Viele haben auf der Brust oder dem Bauch ein Büschel mit helleren oder sogar weissen Haaren. Wenn man ein schwarzes Tier in der Sonne einmal genauer betrachtet, findet man hellere oder dunklere Haare. Bei den meisten von ihnen findet man eine hellschwarze Tigerzeichnung im Fell.

Für die meisten Menschen ist schwarz einfach schwarz, nicht jedoch für denjenigen, der sich mit dieser Farbgebung irgendwann auseinandergesetzt hat. Er kann genau unterscheiden, ob es sich hier um hellschwarz, dunkelschwarz oder sogar sehr dunkelbraun handelt. Wer schwarz liebt, liebt auch das glänzende Fell einer Schwarzen. Ihr Glanz übertrifft alles, was man von anderen Fellfarben kennt. Und wer dem Bann der Schwarzen verfallen ist, kommt nie mehr davon los.

Blacky war eine solche Schwarze, eine absolut Pechschwarze. Bei ihr konnte man lange suchen, sie hatte nicht ein einziges helles Haar. Auch wenn sie in der Sonne lag, gab es keine helleren Schattierungen. Sie war einfach schwarz. Dies war auch nicht erstaunlich, denn sie war eine Langhaarkatze, die aus einer Norweger-Zucht stammte. Als sie zwei Jahre alt wurde, war sie schöner als alle anderen Katzen in der Nachbarschaft. Und sie hatte anscheinend das grosse Los gezogen. Während ihre Geschwister ein tristes Leben in der Wohnung fristen mussten, durfte sie raus in die freie Natur. Sie wohnte bei einem älteren Ehepaar im Erdgeschoss. Vor dieser Wohnung lag ein grosser Garten mit vielen Bäumen und Sträuchern. Es gab überall Klettermöglichkeiten. Die nächste Strasse führte viel weiter entfernt in die nächste Ortschaft. Für Blacky war das hier ein Paradies. Sie verbrachte viel Zeit im grossen Garten oder auf dem benachbarten Bauernhof. Hier gab es Mäuse und Eidechsen. Hier konnte Blacky springen, jagen und das Leben geniessen. Wenn es draussen heiss war, legte sie sich unter einen Busch in den Schatten und war einfach nur glücklich.

Sie war eine sehr sanftmütige Katze und liebte es, nachts auf dem Sofa neben ihrem Frauchen zu liegen. Wenn ihre Katzenmutter ihr mit der Bürste durchs Fell strich, schnurrte sie selig vor sich hin.

Trotzdem gingen ihr die Nachbarskatzen aus dem Weg. Mit ihrem langen Fell war sie eine imposante Erscheinung. Sie sah aus, als brächte sie acht Kilos auf die Waage. Doch in Wirklichkeit war sie eine sehr zierliche Langhharkatze. Ihr langes Haarkleid überdeckte ihren eher dünnen Körper. Blacky war es recht, dass man sie in Ruhe liess. Sie wollte weder den Garten noch ihr Frauchen mit den Nachbarskatzen teilen.

Viele Jahre lebte sie friedlich und verwöhnt bei diesem älteren Ehepaar. Doch eines Tages merkte Blacky, dass mit ihrer Katzenmutter etwas nicht stimmte. Sie war alt und vergesslich geworden. Sie sass stundenlang auf dem Sofa und hörte Musik. Nur noch selten ging sie aus dem Haus. Blacky musste jeden Tag um ihr Fressen betteln, denn Elisabeth hatte wieder einmal vergessen, dass bereits wieder ein Tag vergangen war und Blacky Hunger hatte. Auch blieb die liebgewordene Bürste in der Schublade liegen und Blackys Fell wurde nur noch selten gepflegt. Für die Langhaarkatze war das schlimm, denn mit der kleinen rosa Zunge konnte sie ihr Haar nicht ausreichend pflegen. Sie war auf die Hilfe des Menschen angewiesen. Sie putzte sich zwar den ganzen Tag, doch bei dieser Haarpracht genügte das nicht. Sie musste machtlos mit ansehen, wie sich ihr Haarkleid jeden Tag etwas mehr verknotete. Und diese Haarknoten waren sehr unangenehm, denn sie zwickten und verursachten ein schmerzvolles Ziehen an den betroffenen Hautstellen. Und dieses Ziehen spürte sie Tag und Nacht. Mit jedem Schritt, den sie machte, zog es an den Beinen oder am Bauch. Blacky wurde immer träger, denn das Laufen und Springen machte ihr keinen Spass mehr.

Wenn Elisabeth doch ab und zu mal mit der Bürste kam, ging ihr Blacky aus dem Weg. Die Bürste hätte nur an den Knoten gezogen, was ihr noch mehr Schmerzen verursacht hätte. Es war vorbei mit den schönen Tagen und Blacky wurde eine mürrische, unerträgliche Katzendame. Niemand wusste genau, was mit diesem Tier passiert war. Ihr Wesen hatte sich derart verändert, dass man eine Krankheit vermutete. Elisabeth wurde schon seit Monaten von einer Gemeindeschwester betreut, die jeden Tag nach ihr schaute und auch Blacky das Essen vorsetzte. Sie brachte Blacky eines Tage zum Tierarzt. Er sollte mal checken, ob die schöne Schwarze vielleicht krank war. Doch Thomas konnte nichts Ungewöhnliches feststellen. Niemand wusste, warum sich das sanfte Wesen der Schwarzen derart verwandelt hatte.

Als es mit Elisabeth abwärts ging, musste Blacky umziehen. Man brachte sie in eine Katzenauffangstation. Dort sollte man ihr ein neues Zuhause suchen. Obwohl die Betreuerinnen dort geübte Tierpflegerinnen waren, konnten sie sich keinen Reim darauf machen, weshalb Blacky derart aggressiv war. Sie schnitten zwar die vielen verknoteten Stellen aus ihrem Fell, doch änderte sich nichts daran, dass Blacky jeden anfauchte, der ihr zu nahe kam. Manchmal hatten sie den Eindruck, es würde besser mit der Schwarzen, denn sie sass oft stundenlang unbewegt und friedlich auf ihrem Hochsitz und beobachtete die anderen Katzen, die miteinander spielten. Doch kaum sprang sie hinunter zum Fressnapf, änderte sich ihre Laune. Nun durfte ihr niemand zu nahe kommen, denn sie hatte ihre Krallen stets ausgefahren und war angriffsbereit.

Trotzdem fand man eines Tages eine alleinstehende Frau, die Blacky aufnahm. Sie wusste von Blackys Vergangenheit und war gewillt, dem Tier sehr viel Streicheleinheiten und Fürsorge zu geben. Blacky zog erneut um. Diana lebte in einer Wohnung mit einem offenen Treppenhaus. So konnte Blacky auch hier in den Garten hinunter. Diana beobachtete das angeschlagene Tier besonders gut. Sie wollte herausfinden, wo Blackys Problem lag. Die Schwarze war ja noch keine zehn Jahre alt. Es konnte doch nicht sein, dass sie irgend ein Leiden hatte, das man nicht erkannt hatte. Manchmal hatte Diana den Eindruck, alles sei tadellos und Blacky sei auf dem besten Weg, eine brave Hauskatze zu werden. Doch dann, aus heiterem Himmel, schlug sie mit ihren Pranken zu. Diana war überzeugt, dass Blacky sie liebte. Trotzdem musste sie damit leben, immer wieder von der Schwarzen angeknurrt oder sogar gekratzt zu werden. Aber sie wollte nicht aufgeben. Blacky war ein derart schönes Tier, dass sie einen Weg finden musste, um aus der Wilden wieder eine Zahme zu machen. Sie las zahlreiche Bücher und forschte in Internetforen nach, ob auch andere Katzenhalter von solchen Attacken heimgesucht wurden.

Sie gab der schönen Blacky eine letzte Frist. Wenn sie in den nächsten sechs Monaten nicht zahm würde, müsste sie zurück ins Tierheim. Diana hoffte so sehr, dass sich Blackys Attacken abschwächen würden. Doch musste sie eines Tages einsehen, dass sie den Kampf verloren hatte. Blacky wurde zurück ins Tierheim gebracht. Diana konnte nicht mehr. Sie übergab die Schwarze in die professionellen Hände der Tierschützer. Sie war sehr traurig, denn sie hätte der schönen Blacky so gerne geholfen. Doch sie konnte nicht mehr. Ihre Hände waren derart zerkratzt, dass sie diese niemandem mehr zu zeigen wagte. Auch bei der Arbeit schaute man sie nur kopfschüttelnd an. Wie gross musste doch Tierliebe sein, dass man sich derart verunstalten liess.

Auch im Tierheim besserte sich Blackys Verhalten nicht. Nein, es wurde noch schlimmer. Jetzt musste Blacky auch immer auf der Hut sein und ihren Platz vor anderen Katzen verteidigen. Die Pflegerinnen wussten keinen Rat mehr. Auch war es ihnen nicht mehr möglich, die Katze zu pflegen und zu bürsten.

Als Thomas an einem schönen Sommertag ins Tierheim kam, erzählte man ihm, dass Blacky noch immer so aggressiv war. Er versprach, das Tier nochmals eingehend zu untersuchen. Dafür müsse man sie aber ruhig stellen und vorübergehend in einen tiefen Schlaf legen. Diese Untersuchung fand am nächsten Tag statt. Blacky bekam ein Beruhigungsmittel und schlief ein. Endlich konnte man sich der Schwarzen ohne dicke Handschuhe nähern. Thomas nahm ihr etwas Blut für einen Labortest und tastete sie überall ab. Er fand nichts Aussergewöhnliches. Beine, Bauch, Rücken - alles war in Ordnung. Es gab keinerlei Knoten im Bauch, auch keine Flöhe oder Zecken, die dem Tier Schmerzen bereiten konnten. Ihm fiel lediglich auf, dass Blacky übersäht war von Haarknoten. Da half keine Schere mehr. Thomas entschied sich dafür, die Haare am Bauch und Rücken abzuscheren. Nur so würde Beauty wieder ein normales Fell bekommen. Er holte die Schermaschine hervor und setzte an. "Grrr, grrr, grrr!" tönte der Rasierer. Die Knoten fielen auf den Boden. Er musste gut aufpassen, dass er Blacky nicht schnitt. Doch die Verknotungen waren überall dicht an der Haut. Er musste wirklich sehr gut aufpassen. Bald lag Blacky halb nackt da. Nur noch ein paar Stellen am Hals. Als Thomas die Maschine erneut ansetzte, stiess er auf etwas Hartes. Was war denn das? Er schaltete das Gerät aus und tastete sich mit den Fingern vor. Seine Augen wurden immer grösser. Er war schockiert. Um den Hals der schönen Schwarzen befand sich ein dickes Halsband. Dieses war derart eng und eingewachsen, dass das Tier furchtbare Schmerzen gehabt hatte. Er brauchte eine Zange, um das Halsband aufzuschneiden. Wahrscheinlich hatte man ihr das leuchtende Halsband vor einigen Jahren umgelegt, damit man sie in der Nacht sehen konnte. Ueber die Monate hinweg war das Bändeli in den langen Haaren verschwunden und eingewachsen. Zudem war die Katze grösser und dicker geworden, sodass das Halsband viel zu eng geworden war. Die Krönung war das kleine Glöckchen, das unten am Halsband baumelte. Bei jeder Bewegung der Katze gab das einen hellen Laut von sich. Zwar war es in den letzten Jahren etwas leiser geworden, doch hörte sie es trotzdem noch bei jeder Bewegung. Ein solches Glöckchen kann eine Katze tatsächlich halb wild machen, denn dieser Ton ist hell und laut und nur wenige Zentimeter von den Ohren der Katze entfernt. Zudem ist es absolut unnütz, denn die Katze weiss schon bald, dass es nicht bimmelt, wenn man sich ruhig verhält. Wenn sie einem Vogel auf der Schliche ist, kann sich die Katze so ruhig verhalten, dass der Vogel sie und ihr Glöckchen nicht hört. Und wenn die Katze zum Sprung ansetzt und das Glöckchen hell bimmelt, ist es für den Vogel bereits zu spät.

Nun war allen klar, warum die Schöne derart aggressiv geworden war. Sie wurde verfolgt von diesem hellen Klingelton. Sobald sie sich nur etwas bewegte, hörte sie das unangenehme Gebimmel in ihren Ohren. Ihr war am wohlsten, wenn sie unbewegt auf dem Katzenbaum sass. Dann blieb die Glocke endlich still. Dieses Geräusch war eine Tortur für die sensiblen Ohren der schönen Schwarzen. Thomas hoffte, dass Blacky nicht schon einen Gehörschaden bekommen hatte. Er brauchte lange, um das Band aus den Haaren zu entfernen. Nun lag sie da, halb nackt und ohne Halsband. Alle hofften, dass sie nun wieder eine glückliche und freundliche Katze werden würde.

Als Blacky aus der Narkose aufwachte, war ihr kalt. Wo waren ihre Haare geblieben? Sie schaute an sich herunter - igitt! Sie fand sich schrecklich. Immerhin hatte man ihr eine rote Lampe über das Bettchen gehängt. Unter dieser Lampe war es warm und kuschelig. Sie versuchte aufzustehen. Wie immer, wollte sie sich dabei so wenig als möglich bewegen. Doch sie war noch immer sehr wacklig auf den Beinen, sodass es sie von links nach rechts torkelte. Und - obwohl sie umher wackelte - bimmelte nichts mehr. Wo war der ekelhafte Ton abgeblieben? Ihre Ohren hörten kein Klingeln mehr. Von weit weg hörte sie das laute Bellen aus der Hundestation. Sie fühlte sich nackt, jedoch frei.

Blacky durfte in den nächsten Wochen drinnen bleiben. Bevor das Fell nicht nachgewachsen war, musste sie in der warmen Stube bleiben. Nach einiger Zeit wurde die Wärmelampe überflüssig. Allmählich wuchsen die ersten Haarbüschel nach. Trotzdem dauerte es ein paar Monate, bis Blacky wieder volles, langes und wunderschönes Haar hatte. Sie wurde täglich gebürstet. Jetzt wollte man von Anfang an dafür sorgen, dass es keine Haarknoten mehr gab. Blacky erinnerte sich daran, wie schön es bei Elisabeth gewesen war, als sie von ihr noch gebürstet worden war. Sie verhielt sich still und liess es gerne über sich ergehen, wenn ihr die Pflegerinnen das lange Haar striegelten. Nach einem halben Jahr war Blacky die schönste Katze dieser Welt. Ihre Aggressionen waren verschwunden und ihr sanftmütiger Charakter kam wieder zum Vorschein. Nun war es ein Leichtes, die schöne Schwarze zu vermitteln. Sie durfte in eine Familie umziehen, wo sie Freigang hatte. Die Auflage des Tierheimes war klar und deutlich und wurde im Schutzvertrag so vermerkt: "Kein Halsband, kein Glöckchen und tägliches Bürsten". Endlich war die Schwarze ihren ständig klingelnden Verfolger los. Nun durfte sie wieder frei und glücklich sein. Ihre Krallen blieben eingerollt. Diese benutzte sie nur noch, wenn sie einer Maus nachrannte. Ansonsten war sie wieder eine Schmusekatze geworden, die der Familie grosse Freude bereitete. Ein kleines Glöckchen hatte derart viel Leid verursacht. Wer sein Tier liebt, verzichtet auf das Glöckchen.
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