Ein absolut freundlicher Kerl - Luskas Bücher

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Ein absolut freundlicher Kerl

Buch 4
Meistens war Emsy allein im Areal der DPD. Uebers Wochenende waren hier alle Türen zu. Auch das grosse Tor am Eingang blieb geschlossen. Nur selten verirrte sich jemand zu ihm. Doch dann war die Freude doppelt so gross, wenn er Besuch bekam. Er sah ihn schon lange, wie er langsam unter dem Eisentor durchschlich. Dann sah der grosse Kater auch ihn. Emsy war aus seinem Haus geklettert, als er Simbas Schritte hörte. Es gab keine Strassenlaternen hier und im Dunkeln der Nacht konnte ihn Simba erst erkennen, als er direkt vor ihm stand.

Simba blieb wie angewurzelt stehen. Er war ein Eindringlich hier und mussterte Emsy genau. Das Gegenüber war ein ausgewachsener Kater. Noch wusste er nicht, ob ihm dieses Tier wohlgesinnt war oder zum Feind würde. Der andere schaute ihn aus der Entfernung gelangweilt an und begann sich dann zu putzen. "Der scheint friedlich zu sein", dachte Simba "Der interessiert sich gar nicht für mich." Stattdessen setzte das Gegenüber seine Abendreinigung fort. Er leckte sich mit der Zunge die Pfoten ab und wischte mit seinen Pranken die Spuren der Nacht aus den Augen. Seine raue Zunge glättete jedes Härchen. Manchmal knabberte er an einer Stelle herum. Dann zog er sich lose Haare aus dem Pelz. Er liess sich mächtig Zeit dabei und schielte ab und zu in Richtung Simba. Dieser hockte noch immer unbewegt da und beobachtete den Kater genauestens. Er war mittelgross und schwarz-weiss gefleckt. Sein Gesicht war weiss wie seines, doch die Ohren des anderen und sein Rücken waren schwarz. Er hatte einen langen, pechschwarzen Schwanz. Auffallend waren sein breiter Schädel, seine Stupsnase und seine grossen, kugelrunden Augen. Sein Bauch und seine Beine hätten weiss sein sollen, doch im Moment hatten sie tatsächlich eine Wäsche nötig. Wo das Haar einst schneeweiss war, zeigte sich nun ein dunkelgraues Muster. Er schien ein etwas schmuddliger Kandidat zu sein, dachte Simba. Noch immer putzte sich der Kater. Er schien es wirklich genau zu nehmen mit seiner Fellpflege, und Simba musste sein Vorurteil revidieren. Nein, er war nicht schmuddelig, er war einfach ein frei lebender Kater, der wie alle Samtpfoten keine Schuhe trug und deshalb etwas schwarze Füsse hatte. Er machte ihm einen sehr sympathischen Eindruck. Wahrscheinlich war das einer von der Sorte, der allen vertraute, der keine Feinde kannte.

Simba legte sich hin. Der andere war etwa zehn Meter entfernt und noch immer voll mit seiner Abendhygiene beschäftigt. Er sah, wie er sich jedes Schnauzhaar kämmte und jede seiner Augenbrauen sortierte. Auch die Zehen wurden mit der rosaroten Zunge gründlich gewaschen. Es dauerte unendlich lange bis der Schwarz-weisse seine Wäsche beendet hatte. Simba war gespannt, was jetzt passieren würde. Er setzte sich auf, atmete leise und öffnete seine Augen, um auf der Lauer zu sein, falls der andere doch noch angreifen sollte.

Da täuschte sich Simba aber gewaltig, Der saubere Kater streckte sich, wandte sich ab und spazierte zur Treppe neben seinem Katzenhaus. Dabei drehte er sich auf halber Strecke kurz um und schaute zu Simba hinüber als wolle er sagen "Herzlich willkommen in meinem Reich. Wenn du mir folgst, lade ich dich zum Nachtessen ein." So was liess sich Simba kein zweites Mal sagen. Er erhob sich und folgte dem Kater leise mit etwas Entfernung. Je näher er dem Katzenhaus kam, desto intensiver roch es nach Futter. Auf dem obersten Treppenabsatz entdeckte er einen Futterspender, der prall gefüllt war mit Trockenenfutter. Mensch, war das Klasse! Simbas Herz machte einen Freudensprung. Lecker! Das Wasser lief ihm schon im Maul zusammen am Gedanken an das Gastmahl. Währenddem Simba sich satt frass, schaute ihm der Schwarz-Weisse ruhig zu. Er hatte gespürt, dass der Langhaarige ausgehungert und unruhig war. Hier gab es Futter genug für sie beide und der Schwarz-Weisse war ein gutmütiger Kerl, der den Fremden ohne Vorbehalt eingeladen hatte.

Simba frass und trank, als habe er schon seit Wochen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen. Er bedankte sich bei seinem Gastgeber und setzte sich zu ihm. Sie begutachteten sich nochmals aus der Nähe und beschnupperten sich.

Der Schwarz-Weisse durchbrach die Stille und stellte sich vor: "Ich bin Emsy, der Streuner. Man sagt, ich sei ein ganz besonderer Kater, ein kleiner Lausebengel". Simba konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Dass er ausgerechnet auf den verrücktesten Kater der Region stossen musste! Es war absolut nicht normal, dass sich zwei Kater so friedvoll und ohne Groll begegneten. Emsy war ein derart friedfertiger Kerl, dass er mit jedem gleich Freundschaft schloss. Der Bann war gebrochen und die beiden Kater legten sich zueinander. Sie erzählten sich von ihren Erlebnissen der Vergangenheit.

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