Der Unfall 9 - Luskas Bücher

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Der Unfall 9

Buch 2
Die Wochen verstrichen und Emsy erholte sich ganz langsam. Nach sechs Wochen war die Wunde am Hinterbein fast geschlossen. Jetzt war es an der Zeit, den Verband definitiv abzunehmen. Endlich konnte Emsy einen Blick auf sein Hinterbein richten. Es war ein Wunder geschehen. Er sah keinen Knochen mehr, keine Sehne und nichts. Ueber der verletzten Stelle lag neue, dünne, helle Haut. Er musste allerdings noch sehr aufpassen, dass er mit dem nun ungeschützten Bein keine zu hohen Sprünge machte, doch war er klar auf dem Weg zur Heilung. Nun musste er sich nur wieder etwas Muskeln antrainieren. Das verletzte Bein war ganz dünn geworden, kaum mehr halb so dick wie die anderen Pfoten. Doch dieses Problem hatte sich innert kurzer Zeit behoben. Nach einer weiteren Woche wurde das Bein dicker und stärker. Emsy wurde wieder fit. Nur noch die geschorenen Beckenpartieen liessen auf einen Unfall schliessen. Die Narben waren fast verheilt, das Haar wuchs langsam darüber.



Emsys Frauen waren überglücklich. Emsys Leidenszeit war vorbei. Man wollte diesen Tag feiern. Tina lud zum Gartenfest ein. Dies sollte der Tag sein, an dem Emsy seine Freiheit wieder fand. Nachdem die Frauen ihn mit Küsschen und Streicheleien übersät hatten, nahm man ihm die Leine ab. Nun war er wieder frei und durfte die Wege einschlagen, die er wollte. Schnurstracks ging er Richtung DPD. Doch nach kurzer Zeit wurde Emsy müde. Seine Hüfte und sein Hinterbein waren noch nicht stark genug, um den langen Weg zu gehen. Er legte sich bei der Baustelle um die Ecke hin und schaute in den Himmel. Dort machten Vögel ihre Runden. Die Sonne wärmte sein samtenes Fell. Er war unsagbar glücklich. Die Frauen hatten ihm das Leben gerettet. Er würde ihnen bis ans Ende seiner Tage dankbar sein.

Es dauerte noch Wochen bis Emsy so genesen war, dass er die lange Reise von daheim zur DPD auf sich nehmen konnte. Er brauchte Stunden, bis er vor der Türe stand, zu der er sich Monate zuvor unter Höllenschmerzen mit zerschmetterter Hüfte gerettet hatte. Er hörte die Stimmen seiner Freundinnen, die bei der Arbeit waren. Sie wussten, dass Emsy fast wieder gesund war und hofften insgeheim, dass er daheim bei Tina und seinen Geschwistern war. Es war jedem klar, dass Emsy auf dem Weg zur Firma DPD die Hauptstrasse überqueren musste und jedes Mal der Gefahr ausgesetzt war erneut überfahren zu werden. Auch wenn es ihnen wehtat, hofften sie, dass er nun daheim bleiben würde an dem Ort, an dem ihm nichts passieren konnte.

Als die Frauen zur Zigarettenpause ins Freie gingen, standen sie vor ihrem Emsy, der sie mit hocherhobenem Kopf und einem lauten Miau begrüsste. Er rief ihnen zu „bin wieder hier, lasst mich doch endlich rein“. Die Freude war riesengross und Freudentränen standen den Frauen im Gesicht. Emsy hatte gesiegt, er hatte gekämpft und sein Leben zurückbekommen. Sie alle hatten gelernt, dass man kämpfen muss, wenn man etwas erreichen will und dass man nicht so schnell aufgeben darf. Wie vor dem Unfall stolzierte Emsy in den Bürotrakt, legte sich in den Korb auf der Fensterbank und schaute zum Fenster raus. Nichts hatte sich in seinem Revier verändert. Der einzige Unterschied bestand darin, dass es Spätsommer geworden war und die Sonne nicht mehr ganz so heiss auf ihn niederbrannte. Er genoss es, hier zu sein, denn da war er willkommen, hier war er ein König.

Am Abend, als die Bürotür ins Schloss fiel, legte sich Emsy in die Schlafhöhle, in die er sich über die Nacht zurückziehen konnte. Es war eine laue Spätsommernacht und über ihm standen der Mond und die Sterne. Es waren tausende, nein Millionen von Lichtern, die über ihm blitzten. Nachdem er mehrmals zwei Pfoten im Katzenhimmel gehabt hatte, kannte er ihr Geheimnis. Was da oben am Himmel glänzte, waren die reflektierenden Augen seiner Katzen-Schutzengel. Sie passten auf ihn auf, zeigten ihm den Weg und sorgten dafür, dass er heil und gesund nach Hause kam.


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