Die Diebesbande
Buch 6
Nun waren sie noch zu fünft. Mausi blieb bei Frank und Lillifee bei Helen. Und vor ihnen lag ein langer, langer Weg. Sie hatten noch nicht einmal einen Drittel der Strecke geschafft. Allerdings waren sie froh darüber, dass es Sommer war. In dieser Jahreszeit gab es immerhin genug Futter und es war nachts nicht kalt.
Sie zogen weiter gegen Norden. Eines Tages kamen sie an einen grossen See. Dieser war so weit, dass man das gegenüberliegende Ufer nicht sehen konnte. Oder waren sie am Meer gelandet? Sie schlabberten mit ihrer rosaroten Zunge etwas vom kühlen Nass. Ja, es war süss, also waren sie richtig. Dies war kein Meer, dies war nur ein See. Sie wanderten tagelang dem Ufer entlang. Wohin sie auch schauten, es gab nur Wasser. Das Seeufer war stark bebaut. Viele Leute liebten das Leben am See und hatten hier ihr kleines Paradies gefunden. Es gab unzählig viele wunderschöne Häuser mit grossen Sitzplätzen zum See. Am Abend setzten sich die Seeanwohner auf ihren Balkon und genossen die Sonne, die still und leise hinter dem Horizont verschwand. Ihre letzten Strahlen glitzerten noch ein letztes Mal über dem ruhigen Wasser. Dann wurde es endlich kühler. Die Sommermonate waren fast nicht zum Aushalten. Jeder, der am Feierabend im See baden konnte, durfte sich glücklich schätzen.
Auch gab es an diesem See noch alte Städtchen mit wunderschönen Riegelbauten. Manche von ihnen waren zum See hinaus gebaut. Sie standen mitten im kühlen Nass wie auf Stelzen. Diese Städtchen mit den schönen Namen wie Steinach oder Rorschach waren berühmt für ihre Schönheit. Zahlreiche Touristen kamen hierher, um den Zauber dieser Gegend zu geniessen.
An den Wochenenden kamen viele Leute zum Baden dorthin. Einige von ihnen hatten auch ein kleines Boot, mit dem sie von einer Seeseite zur anderen geleiteten. Andere versuchten ihr Glück auf dem Surfbrett.
Auch Bea und ihre Freunde hatten einen gemütlichen Samstag am Bodenseeufer geplant. Sie legten sich auf ihre Badematten und sonnten sich. Wie herrlich es hier war! Als am Abend die Sonne schwächer wurde, kam der grosse Moment. Sie trommelten ihre Freunde zusammen, packten die Badesachen ein und stellten den Grill auf. Jetzt kam der gemütliche Teil. Sie wollten eine leckere Wurst oder ein Stück Fleisch zubereiten. Darauf hatten sie sich schon den ganzen Tag gefreut. Sie hatten alles wunderbar geplant und freuten sich auf einen geselligen Abend im Kreise ihrer Freunde. Allerdings hatten sie nicht damit gerechnet, dass sie beobachtet wurden. Sie sahen Silver nicht, der sie schon den ganzen Nachmittag mit seinen Augen verfolgt hatte. Er lag etwas abseits auf der Lauer unter der Hecke und fixierte jetzt die leckeren Sachen, die man ausgebreitet hatte. Ihm lief bereits das Wasser im Mund zusammen - Wurst und Fleisch - welch köstliches Mahl.
Bea und ihre Freunde wollten sich die Arbeit teilen. Während die Männer Holz suchten, bereiten die Frauen den Salat und die Kartoffeln vor. Es gab viel zu bereden, denn Bea und Sabine hatten sich schon längere Zeit nicht mehr gesehen. Sie redeten und redeten, während sie Tomaten und Gurken schnitten. Sie wollten einen griechischen Salat zubereiten mit viel Feta und Zwiebeln. Dafür interessierte sich Silver allerdings überhaupt nicht. Feta war ihm zu salzig und Zwiebeln, igitt, konnte er überhaupt nicht ausstehen. Dafür gefiel ihm das Fleisch umso besser, das auf einem Teller lag. Er spürte den Speichel, der ihm aus dem Maul tropfte. Langsam kroch er vorwärts, blieb dann wieder unbewegt liegen. Wenn sie ihn nur nicht entdecken würden!
Dann kam der grosse Moment. Bea und Sabine gingen zum See, um das Küchenbrett auszuwaschen. Die Grillstelle war unbewacht, niemand schaute zum Fleisch. Silver setzte zum Sprung an. Blitzschnell packte er das Fleisch mit seinem Zähnen und rannte weg. Bea sah nur noch den grauen Schwanz hinter dem Gebüsch verschwinden. Das Fleisch war grösser, als er gedacht hatte, und auch dementsprechend schwer. Er musste seinen Kopf richtiggehend hoch halten, damit er den Happen nicht über den Boden schleppte. Dafür war der Braten eine Abwechslung im Menueplan der Katzengruppe. Die anderen staunten nicht schlecht, als Silver mit seiner Beute vor ihnen stand. Irgendwie mussten sie lachen. Wie gern hätten sie doch die Gesichter gesehen, als Beas Freunde den leeren Fleischteller entdeckt hatten. Wichtig für die Katzen war nur, dass genug Futter für alle hungrigen Mäuler da war. Sie teilten sich den leckeren Braten und genossen jeden Bissen. Es war ein gutes Gefühl, wieder mal einen prall gefüllten Bauch zu haben. Es gab allerdings auch Tage, an denen sie gar nichts zu essen hatten. Dann machten sie sich über die Abfallkörbe her, die am Seeufer aufgestellt waren. Manchmal fanden sie noch einen Rest von einem Sandwich, meistens aber nur verfaulte Essensresten, die ungeniessbar waren.
In dieser Gegend gab es wenig unbebaute Flächen, also auch nur minime Chancen, Mäuse zu finden. Die Region am schönen Bodenseeufer war dicht besiedelt. Die Katzen schlenderten zwischen den Häuserreihen durch, von Garten zu Garten. Dabei mussten sie aufpassen, dass sie nicht ins Revier eines ansässigen Katers gelangten, denn dieser würde seinen Platz mit Krallen und Zähnen verteidigen. Ihre Reise zerrte an ihren Kräften. Sie wollten ihre Reserven nicht für unnötige Kämpfe aufbrauchen.
Auch wenn sie nicht Futter in Hülle und Fülle hatten, so war es immerhin genug, um die hungrigen Mäuler zu stopfen. Ihr Weg führte sie weiter, westwärts. Sie kamen nur langsam voran, doch irgendwann würden sie es schaffen. Sie waren bereits viele Wochen unterwegs, als der See plötzlich zu Ende schien. Sie waren in Konstanz angekommen. Das nördliche Seeufer vereinte sich hier mit dem südlichen. Geteilt wurde es nur noch durch einen grossen Fluss, den man aber mit einer Brücke überqueren konnte. Das erste Mal auf ihrer Reise waren sie plötzlich nicht mehr sicher, ob sie in die richtige Richtung gingen. Dem Ufer entlang hatten sie ja keine Wahl, denn sie konnten und wollten ja nicht schwimmen. Doch jetzt mussten sie sich entscheiden. Sollten sie das südliche Flussufer nehmen oder die Brück überqueren? Sie setzten sich zusammen und berieten sich.