Grischa und Smoky
Buch 7
Manolo durfte, als er noch nicht kastriert war, Liebesferien verbringen. Samira hiess die Auserwählte, eine wunderschöne Perserkätzin. Ihr Pelz war hell- und dunkelgrau gestromt, ihre Augen so gross wie Kugeln. Sie hielt ihren Langhaarpelz peinlichst sauber und verbrachte Stunden mit der Pflege.
Sie hatte schon früher mal Babies gehabt, doch jetzt wollte man Samira mit Manolo zusammenbringen. Der Graue fand Samira wunderschön, genau das richtige für seinen Geschmack. Zwar war sie ein paar Jahre älter als er, aber das störte ihn keineswegs.
Nach ein paar Wochen kamen drei Kätzchen auf die Welt, eines schöner als das andere. Der schwarze Kater war gleich pummelig wie der Vater Manolo, die Schwestern etwas zierlicher. Das eine Kitten war dunkelgrau mit weissem Unterfell, also in der Farbe Smoke. Man taufte es deshalb Smoky. Die Schwester hatte die Farben der Mutter, hell und dunkelgrau. Sie erhielt den Namen Grischa (grigia = grau). Leider stellte sich heraus, dass Samira sich nicht mehr mit den anderen Artgenossen vertrug, seit sie Mutter war. Ihr Beschützerinstinkt war derart gross, dass es purer Stress für sie und ihre Kinder war. Sie verteidigte sie und vertrieb jede andere Katze, die sich ihr näherte. Als die Kleinen zu krabbeln begannen und auch ab und zu das Nest verliessen, wurde der Stress für Samira noch grösser. Sie musste das Trio in Schach halten und gleichzeitig die Rasselbande von den Kleinen fernhalten. Sie kam kaum mehr zum Schlafen und wurde deshalb mit ihrer aggressiven Art für die Besitzer unerträglich.
So fragte man Tina an, ob es ihr möglich wäre, Samira mit ihren Babies vorübergehend aufzunehmen. Die Besitzer wussten, dass Tina genügend freie Zimmer hatte und eines für Samira und ihre Kinder reservieren könnte.
So zog Samira mit ihren Kitten um in das Haus, in dem auch Manolo lebte. Sie bezogen ein grosses Zimmer, das speziell für die kleine Familie eingerichtet war. Samira durfte dort allein mit ihren Kindern leben. Keine andere Katze hatte das Recht, das Familienglück zu stören. Wenn die Babies schliefen und Samira wollte, konnte sie sogar raus in den Garten. Dieses Angebot nahm sie gerne an. So konnte sie sich etwas vom Mutterdasein entspannen. Sie wusste, dass Tina gut schaute, dass keine andere Pelznase ins Zimmer ging. Nur Manolo durfte ab und zu seine Kinder besuchen. „Naja, Kitten“, dachte er. Er wusste nicht, dass es seine Nachkommen waren, war aber glücklich, dass Samira ab und zu aus dem Zimmer kam und mit ihm durch den Garten streifte.
Erst dachte Tina, Smoky habe nur eine Ohrenentzündung. Sie hielt von einem auf den anderen Tag den Kopf stark schräg, als hätte sie einen Schlaganfall erlitten. Ihr Kopf war komplett auf die Schulter gelegt. Sie konnte in dieser Haltung kaum gehen und fressen, konnte den Kopf aber auch nicht mehr gerade halten. Tina entdeckte dann die Ohrmilben und dass das ganze Ohr entzündet war. Sie packte die Kleine ein und fuhr zum Tierarzt. Dieser bestätigte, dass es sich um eine starke Ohrenentzündung handelte und gab ihr Mittel, das sie Smoky ins Ohr träufeln musste. Das war gar nicht so einfach, denn Smoky liess sich nicht so leicht behandeln. Zudem hielt sie den Kopf derart schief, dass das mit dem Reinträufeln kaum möglich war. Es dauerte viele Tage bis sich der Zustand verbesserte. Zu Beginn konnte man kaum hinsehen, wenn Smoky mit ihrem schrägen Kopf lief. Doch nun trug sie den Kopf schon etwas gerader. Tina hatte die Hoffnung, dass Smoky bald wieder gesund sein würde. Sie erinnerte sich, dass der Tierarzt auch die Reflexe getestet hatte. Man hatte auf der einen Gesichtshälfte eine Art Lähmung entdeckt, wie dies nach einem Schlaganfall möglich sein könnte. Ihre Pupille rechts öffnete sich nicht gleich schnell wie die auf der anderen Seite. Irgendetwas musste in ihrem Gehirn geschädigt sein.
Doch Tina war das grundsätzlich egal. Sie war bereit, weiterhin für die Kitten zu sorgen und sie bei sich zu behalten. Niemand würde ein Tier wollen, dass vielleicht nur ein paar Monate alt würde und behindert war.
Leider blieb auch bei Grischa etwas zurück. Sie pfiff aus den Lungen wie damals Mogli. Es konnte aber kein gewöhnlicher Schnupfen sein, denn keines der bekannten Mittel half. Und Tina konnte sich auch keinen Reim drauf machen, wieso der Schnupfen so schnell kam und ihr Bruder gleichzeitig verstorben war. Die Tiere mussten irgendetwas mitgebracht haben, das nun ausgebrochen war.
Sie konnte nichts mehr daran ändern, war aber froh, dass ihre andern Katzen gegen alles Mögliche geimpft waren. Grischa und Smoky gewöhnten sich schnell an ihre Behinderungen. Smoky hielt ihren Kopf schon bald wieder gerade, oder mindestens fast gerade. Wer es nicht wusste, wäre nie drauf gekommen, dass Smoky Probleme mit einer Hirnhälfte hatte. Bei Grischa war es kaum zu überhören. Sie pfiff auch nach Monaten noch. Das Geräusch war zwar viel ruhiger geworden, doch immer noch da.
Trotzdem waren die beiden totale Schätzchen. Sie spielten stundenlang im Garten und waren grosse Kletterer. Es ging Baum rauf und Baum runter. Auch Grischa, von der man annahm, dass sie nicht richtig atmen konnte, war vital und rannte kreuz und quer durch den Garten. Sie war die Katze, die den Garten am meisten liebte. Als Tina ihn umbaute zu einem Hochbeetgarten, waren Smokie und Grischa dabei. Sie verfolgten die wochenlangen Arbeiten regelmässig und inspizierten alle neuen Sachen. Jetzt, wo es Katzenminze in den Beeten gab, legten sie sich der Länge nach drauf. Sie knabberten an den Blättern und schnupperten an den Pflanzen. Nichts entging ihnen. Sie schienen glücklich zu sein.
So durfte Manolo mit seinen Kindern zusammenbleiben. Jetzt, wo sie grösser geworden waren, glichen sie ihrem Vater sehr stark. Smoky hatte zwar die kurze Nase der Mutter, doch Grischa war genauso pummelig wie Manolo. Beide Kätzchen hatten riesengrosse Kulleraugen, wie die Mutter. Sie würden dadurch auch später wie Katzenkinder aussehen. Manolo fand die Beiden ganz nett. Zwar war ihm immer noch nicht klar, dass es seine Nachkommen waren, aber er mochte sie ausserordentlich gut leiden. Mama Samira ging zurück in richtiges Zuhause, als die Kinder gross genug waren, um alleine zu leben.