Luna, die Sanfte - Luskas Bücher

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Luna, die Sanfte

Buch 1

Luna, die Sanfte

Im Bauernhof am Waldrand gab es schon wieder Junge. Sieben Mutterkatzen brachten jedes Jahr unzählige Katzen zur Welt. Die Bäuerin hatte alle Hände voll zu tun, um die vielen Tiere zu füttern und ihnen ein Plätzchen zu suchen. Dieses Jahr hatten bereits 32 Kätzchen das Licht der Welt erblickt. Unter ihnen war auch eine schöngezeichnete Tigerkatze, die Ende August auf die Welt kam. Ihre Flanken waren gepunktet, hell und dunkelbraun. Ueber ihren Bauch zog sich eine Mokkatönung. Luna war ein hübsches kleines Kätzchen von acht Wochen, als Tina bei der Bäuerin vor der Tür stand. Tina wollte schon immer eine getigerte Katze haben und war von Lunas Schlichtheit betört. Unter all den schönen mehrfarbigen, auch langhaarigen und grossäugigen Tieren suchte sie sich Luna aus, eine unscheinbare Katzendame, die ihr noch viel Freude bereiten sollte.

Und genau dafür war ihr Luna unendlich dankbar, dass sie ihr ein gutes Zuhause bieten wollte. Sie wurde von Ungeziefer geplagt, es stach und juckte den ganzen Tag. Tina nahm den Neuankömmling in die Wohnung und schmierte ihn zuerst mit einem stinkenden Mittel ein. Die Wirkung war enorm. Das Bündel Floh mit Katze verwandelte sich in eine Luna ohne Flöhe. Endlich hatte der Juckreiz aufgehört.

Jetzt konnte Tina ihre neue Katze den anderen Bewohnern vorstellen. Diese schauten etwas erstaunt auf das kleine Kätzchen, das noch kaum richtig Miau sagen konnte. Und Luna war es nicht ganz geheuer im Kreise dieser ausgewachsenen fremden Samtpfoten. Sie schienen ihr nicht gut gesinnt zu sein, fauchten sie erzürnt an, als Luna mit ihnen spielen wollte.

So beschloss Luna, sich an Tina zu halten. Diese hatte sie schliesslich ausgesucht, also würde sie sicher auch mit ihr spielen. Gesagt, getan, Tina verbrachte ihre ganze Freizeit mit Wollknäuel und kleinen Bällchen, die sie Luna zuwarf. Es war eine schöne Zeit für die kleine Katze. Sie hatte den Menschen bisher nur als Futterstelle gesehen, kannte diese Art der Zuneigung nicht. Aus lauter Dankbarkeit legte sie sich in der Nacht dicht neben Tina. So fühlte sie sich beschützt und nicht allein. Als Tina eingeschlafen war, kletterte sie auf ihren Bauch und legte sich der Länge nach hin. Hier war es warm und kuschelig weich. So war sie ganz nahe bei ihrem Menschen, den sie ganz fest liebhatte.

Mit ihren Mitbewohnern musste sie sich arrangieren. Da gab es Tasja, eine dreifarbige Katzendame, die nur wenig älter war als Luna. Ihre Hauptfarbe war weiss. Pastellfarbige grosse Flecken zeichneten sich über den Kopf, Rücken und Schwanz ab. Sie war etwas eingebildet, dachte Luna zuerst. Mit hocherhobenem Kopf stolzierte sie durch die Wohnung. Sie liess sich von Tina nur dann streicheln, wenn es ihr in den Kram passte. Was sie da wohl verpasste, dachte Luna, behielt das Geheimnis aber vorerst für sich. Die Beziehung zwischen den beiden Kätzchen wurde von Tag zu Tag besser. Allmählich merkte Tasja, dass Luna nur mit ihr spielen wollte. Sie begriff, dass Luna keine Rivalin, sondern eine Freundin war.

Es ging nicht lange und sie hatten sich angefreundet. Nach einem halben Jahr waren sie die besten Freundinnen und erlebten viele schöne Stunden zusammen. Sie lagen zusammen in einem runden Korb, umgeben von Wolldecken und Kissen, und putzten sich gegenseitig das Fell. Es war ein hübsches Paar, das sich gut verstand.

Luna war noch keine sechs Monate alt, als sie sehr unruhig wurde. Irgendetwas änderte sich in ihrem Wesen. Sie konnte keine Ruhe mehr finden und verbrachte viele Nächte draussen. Dort wartete jeden Abend ein grosser Tigerkater auf sie. Wenn sie nicht rechtzeitig erschien, rief er laut nach ihr. Tina hörte ihn, wie er jeden Abend nach seiner Freundin rief. Sie war ja noch so klein, dachte sie, und liess ihr den Spass.

Zwei Wochen später wurden Luna und Tasja zum Tierarzt gebracht. Sie mussten operiert werden, entschied Tina. Es gab genügend Katzen, die nirgendwo aufgenommen wurden, da musste man dafür sorgen, dass sich kein unerwünschter Nachwuchs einstellte. Tina hasste diese Tage, an denen sie mehr litt als die Patienten. Die Tierärzte können ein Lied davon singen, wenn die Katzenhalter unter Vollstress und als komplette Nervenbündel ihre frischoperierten Miezen abholen. Sie wissen ganz genau, dass die Tierhalter den ganzen Tag hindurch  nichts anderes im Kopf haben als die Frage, wie es ihren Kätzchen wohl geht. Wie erstaunt war Tina allerdings, als sie ihre zwei Patienten abholen ging und diese taufrisch dasassen, als sei nichts geschehen. Schlicht umgehauen hat sie allerdings die Frage des Tierarztes, ob sie denn nicht gemerkt habe, dass Luna trächtig war. Allerdings konnte er nichts mehr für den Nachwuchs machen, da er nicht darauf gefasst war und sich auf eine Sterilisation und nicht auf eine Frühgeburt eingestellt hatte. Tina war komplett verwirrt. Luna war jetzt doch erst sechs Monate alt? Zudem war sie ein äusserst zierliches Ding, das kaum hätte Nachwuchs austragen können. Jetzt konnte sie sich auch die Unruhe erklären, die Luna in letzter Zeit hatte. Schade, dachte Tina, vielleicht wäre sie dennoch eine guter Mutter gewesen.

Auch als Luna erwachsenwurde, blieben ihre edlen Charakterzüge. Sie behielt ihr sanftes Wesen und war eine äusserst brave Katze. Nichts ging kaputt in Tinas Wohnung. Luna wusste genau, was sie durfte und welche Plätzchen ein Tabu waren. Sie lernte bald, dass der Tisch kein Liegeplatz für Katzen war und dass die Küchenanrichte nur für Tina reserviert war.

Sie war auch als erwachsene Katze eine Schönheit. Ihre Tigerzeichnung kam immer wie besser zum Vorschein. Ihre Augen wurden von hellem Haar umrandet, ebenso das Kinn. Sie war gertenschlank und wurde von allen Nachbarskatern umworben.

Eines Tages zog ein Ehepaar in der Nachbarschaft ein. Sie brachten zwei getigerte Kater mit, die im gleichen Alter wie Luna waren. Schnurrli war etwa gleich gross wie Luna und hatte die gleiche Tigerfärbung. Nur durch sein grünes Halsband konnte man ihn von Luna unterscheiden. Sie verbrachten viele Stunden zusammen und genossen die lauen Sommernächte. Schnurrli wartete bei Einbruch der Dunkelheit am Rande des Parkplatzes auf Luna. Sie wollten zusammen auf die Jagd gehen und die Umgebung erkunden. Luna, die ja schon länger hier wohnte, konnte ihm alle Verstecke zeigen. Sie wurden gute Freunde.

Eines Abends, als Luna wieder einmal länger brauchte für die Vorbereitung des nächtlichen Ausgangs, stand Schnurrli am Rande des Parkplatzes und wartete. Da hörte er ein Rascheln, das unweit von ihm aus einem Blätterhaufen kam. Er stellte seine Ohren und legte sich auf die Lauer. Wie schön wäre das doch, wenn er Luna mit einer frischerlegten Maus überraschen konnte? Er war sprungbereit, peilte sein Opfer an. Und dann kam die grosse Ueberraschung. Anstelle der erwarteten Maus kam ein grosser, stachliger, runder Ball auf ihn zu. Vor lauter Schreck sprang er in die Luft. In diesem Moment kam Luna, verspätet wie immer. Ganz aufgeregt erzählte er ihr von der Begegnung. Sie wollte die Kugel auch sehen, doch wo war sie hin gerollt? Sie konnten das komische Ding nicht mehr sehen. Sie schnupperten in alle Richtungen bis sie die Fährte wieder aufgenommen hatten. Dann entdeckten sie den Ball wieder, der sich langsam in Richtung Garten bewegte. Sie näherten sich dem eigenartigen Tier, um es mal etwas genauer zu begutachten und wären fast über den stachligen Ball gestolpert, als dieser plötzlich innehielt. Es hat nur weniges gefehlt, und sie hätten ihre Nasen an den Stacheln verletzt.

Doch wo war nun die schwarze Nase geblieben, die vor wenigen Sekunden noch in die Luft geschaut hatte? Auch konnten sie plötzlich keine Füsse mehr sehen. Sie gingen ganz nahe an das Tier heran und schnupperten an ihm. Egal von welcher Seite sie es betrachteten, es sah rundum gleich aus. Ein Stachelhaufen lag da mitten im Gras und bewegte sich nicht. Sie versuchten mit den Pfoten, das Tier zum Weitergehen zu bewegen, doch dieses rührte sich nicht. Auch Knurren, Fauchen und Schnurren änderten nichts an der Situation. Das eigenartige Wesen blieb unbewegt. Langweilig, dachten die zwei Rumtreiber, da ist die Mäusejagd doch wesentlich interessanter.

Gerade als sie sich wieder auf den Weg in den Park machen wollten, streckte sich der Knäuel. Die kleine schwarze Nase schaute wieder unter dem Stachelkleid hervor. Und sie schien etwas sehr Gutes zu riechen, denn auch die Beine kamen wieder zum Vorschein. Der stachlige Ball ging direkt auf Tinas Sitzplatz zu, wo noch immer Katzenfutter stand. Luna und Schnurrli hatten volle Bäuche und keinen Hunger mehr. Sie schauten dem seltsamen Tier zu, das sich über die Futterreste hermachte. Es schmatzte und schmatzte – Tischmanieren wie im alten Rom, dachten die zwei wohlerzogenen Katzen. Sie schauten dem Igel noch etwas zu, wie er das Essen genoss. Dann zottelten sie davon in Richtung Park, einem nächtlichen Abenteuer entgegen.



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