Die Plaudertasche - Luskas Bücher

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Die Plaudertasche

Buch 5
Die Plaudertasche

Lucky war ein sehr neugieriger Kater und wollte immer dabei sein, wenn etwas passierte. Er wusste alles, denn von den Leuten und Tieren, die in der Praxis ein- und ausgingen, erfuhr er viel. Und die Menschen freuten sich über Lucky. Die meisten von ihnen standen unter Stress, wenn sie hierher kamen. Viele der Tiere schrien in den Transportboxen, was weder dem Mensch noch den Tieren Freude bereitete. Wenn sie den Patienten aus dem Auto holten, standen sie alle unter Druck. Lucky war anhänglich und verschmust. Mit seiner Art konnte er die Praxisbesucher aufmuntern und beruhigen.

Auch am Tag des gigantischen Sturmes, als Thomas das Haus verliess, um in die Praxis zu gehen, trottete ihm Lucky nach. Er begleitete sein Herrchen und schaute ihm interessiert zu, wie er den verletzten Kater Leo untersuchte und behandelte.

Auch als Leo am nächsten Morgen nach der Operation in den Aufwachraum gebracht wurde, war Lucky wieder da. Er legte sich neben den Frischoperierten und wartete, was als Nächstes passieren würde. Er musste nämlich alles genau wissen, um es den anderen Katzen erzählen zu können. Lucky war eine richtige Plaudertasche. Die Tierheimkatzen freuten sich allerdings darüber, wenn Lucky ihnen erzählte, was draussen los war. Er brachte ihnen jeden Tag die neuesten Nachrichten und somit ein Stück Leben von draussen vorbei. Er war das Bindeglied zwischen Freiheit und Gefängnis und schon deswegen ein gern gesehener Gast am Zaun.

Wenn er von der Praxis zum Tierheim schlenderte, richtete er seinen Schwanz ganz hoch auf. Auch im tiefen Gras sah man ihn noch, mindestens die langen Haare am buschigen Schwanz. Dann wussten die Tiere, die Plauderstunde beginnt. Wenn sie ihn sahen, kletterten sie von ihren Liegeplätzen hinunter. Sie wollten nahe genug sein, um ihm zuzuhören. Und Lucky war glücklich darüber, dass er den Tieren helfen konnte. Er wusste genau, dass er ein schöneres Leben führte als die Tiere im Heim. So konnte er ihnen den Tag wenigstens etwas versüssen und sie auf dem Laufenden halten. In ihren Augen war er ein König. Eines Tages, wenn sie wieder frei waren, wollten sie so werden wie er.

Man sah sie oft, wie sie dicht am Zaun lagen und Lucky zuhörten. Dabei lagen sie dicht beieinander und leckten sich gegenseitig die Ohren. Es war wie die Märchenstunde im Kindergarten. Vor allem die jungen Katzen waren begeistert. Sie verehrten Lucky als sei er ihr Lehrer. Und Lucky war stolz und glücklich, etwas für die eingesperrten Tiere tun zu können.

Während Lucky erzählte, gesellten sich immer mehr Tiere zu ihm. Sie liebten seine Schilderungen und freuten sich immer unheimlich, wenn sie ihn sahen. Es war eine willkommene Abwechslung, wenn Lucky zum Zaun kam. Er brachte ihnen ein Stück Freiheit ins trostlose Heimleben. Sobald sie ihn sahen, sprangen sie von der Liegefläche runter, schlenderten langsam in Richtung Zaun.
Dort legten sie sich in geringer Entfernung auf den Hügel oder den nächsten Katzenbaum. Ihre Augen waren auf Lucky gerichtet. Sie warteten gespannt darauf, was er heute zu erzählen hatte. Jede Geschichte war interessant, denn er hatte so viel erlebt und konnte das Erlebte erst noch farbenfroh schildern. Sie nutzten die Geschichtenstunde, um Fellpflege zu betreiben. Währenddem Lucky erzählte, kämmten sie sich den Schmutz aus dem Pelz. Sie hatten viel Zeit, denn Lucky konnte stundenlang erzählen. Mit der rosa Zunge netzten sie ihre Pfote, mit der sie die Spuren der Nacht aus den Augen strichen. Dann knabberten sie den letzten Dreck aus den Pfotenballen. Ihre Bewegungen waren langsam und ihre Blicke stets auf Lucky gerichtet. Wehe, wenn eine Katze zu laut schmatzte bei der Morgenreinigung. Dann knurrte der fette Max einmal tief, und es kehrte sofort wieder Ruhe ein. Die Katzen hielten die Nase in den Wind und stellten ihre Ohren in Richtung Lucky.

Die Mutigeren legten sich ganz dicht zu Amira, damit sie auch jedes Wort verstehen konnten. Die schöne Langhaarige merkte gar nicht, dass innert kürzester Zeit viele Tiere dicht bei ihr lagen. Sie spürte die warmen Körper nicht, die sich an sie drückten, merkte auch nicht, dass sie von der schwarzen Kira gekämmt wurde. Sie war im siebten Himmel, verliebt in ihren Lucky. Sie hatte nur Augen für ihn, vergass vollkommen, was um sie herum geschah. Sie hörte seine sanfte Stimme und die Geschichte von Leo, dem Kater der Glück im Unglück hatte.


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