Zierlicher Miezi - Luskas Bücher

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Zierlicher Miezi

Buch 1
Zierlicher Miezi

Miezi wurde an einem schönen Frühlingsmorgen, zusammen mit drei weiteren Kätzchen, auf einem Bauernhof geboren. Seine Mutter war selber noch ganz jung und brachte vier winzig kleine Kätzchen zur Welt. Sie waren alle mehr oder wenig getigert, genauso wie ihre Mutter. Miezis Hauptfarbe war weiss, so weiss wie der Schnee in den Bergen, den er noch nicht kannte. Ueber die Stirn, den Rücken und den Schwanz liefen braun/schwarz getigerte Flächen. Er glich seinem Bruder wie ein Ei dem anderen. Man konnte sie lediglich an der Schwanzspitze unterscheiden. Miezis Spitze war schwarz, diejenige des Bruders weiss.

Seine Schwester war ein sehr dunkles Tigerkätzchen mit grossen, schönen Augen. Sie waren kaum acht Wochen alt, als man sie von ihrer Mutter trennte und alle zusammen in den neuerbauten Reitstall im Nachbarsdorf brachte.

Dort setzte man sie in eine Pferdeboxe. Sie hatten furchtbare Angst und legten sich ganz dicht aneinander. Die erste Zeit sollten sie in dieser Pferdeboxe wohnen, gebettet in wohlriechendes Stroh. Sie hörten die Pferde schnauben und mit den Hufen scharren. Es roch unglaublich gut. Den ganzen Tag war etwas los. Die Pferde wurden abgeholt und ausgeritten, Autos fuhren vor und wieder davon. Sie hatten viel Zeit, um miteinander zu spielen. Man hatte ihnen noch Spielsachen und zwei grosse Holzkisten hingestellt, in die sie sich legen konnten.

Sie verbrachten etwa drei Wochen in dieser Pferdeboxe. Diese war riesengross und bot genügend Platz und Spielmöglichkeiten. Der Bauer brachte ihnen regelmässig Futter, das sie gierig verschlangen. Je länger sie in dieser Boxe waren, desto neugieriger wurden sie. Sie hörten zwar die Pferde schnauben und sogen den stechenden Geruch dieser Tiere ein, doch wollten sie Freundschaft mit ihnen schliessen. So sprangen sie eines Tages über den Boxenrand und standen mitten in einem riesengrossen Pferdestall. In der Mitte des langen Raumes gab es einen Weg. Rechts und links davon waren alles Gitterstäbe und Metalltore. Hinter jedem Tor stand ein Pferd, das die kleinen Kätzchen neugierig betrachtete. Es gab Pferde in allen Farben; schwarze, weisse, braune und getupfte. Die Kätzchen hatten grossen Respekt von den riesigen Tieren. Sie schauten ihnen tief in die grossen Augen. Die Pferde waren unruhig und schlugen mit den Hufen an die Boxe. Für die kleinen Ausreisser waren die grossen Tiere etwas furchterregend. Auch zwei Ponys lebten in einer Box ausserhalb des Stalles. Es schien den Pferden hier zu gefallen, denn sie lächelten den drei kleinen Kätzchen zu.

Miezi und sein Bruder spazierten den langen Gang entlang. Die Schwester versteckte sich hinter einem Strohballen. Sie betrachteten ein Pferd nach dem anderen. An jeder Stalltüre war ein Schild angebracht und darauf stand ein Name. Bei einigen Boxentüren waren noch Hufeisen angebracht, die darauf hinwiesen, dass die Pferde bereits Siege errungen hatten. Miezi betrachte alles ganz genau. Er wollte wissen, was es hier alles gab. Dabei stellte er fest, dass nicht alle Boxen besetzt waren. Die kleinen Katzen entdeckten, dass es am anderen Ende der Gehege ein Tor gab, durch das die Tiere nach draussen gehen konnten. Hinter der Stallung lag eine riesengrosse Weide, auf denen die Pferde grasen und die sonnigen Tage verbringen konnten. Miezi und sein Bruder Tigro machten sich auf den Weg um das Gebäude herum. Sie wollten sehen, wie viele Tiere hier wohnten.

Als sie aus dem Stall herauskamen, realisierten sie, dass es noch weitere Gebäude gab. Wie interessant, dachten sie, und machten sie gleich auf den Weg dorthin, Tigro voran mit Miezi im Schlepptau. Im gegenüberliegenden Stall wohnten die Kühe mit ihren Kälbern. Miezi war fasziniert von den grossen, feuchten Nasen der Kälber. Sie leckten sich mit der Zunge über den Mund, was ein schmatzendes Geräusch verursachte. Die Kälber tranken frische Milch von der Mutter und standen dicht beieinander.

An diesen Stall grenzte eine weitere grosse Scheune, in der alte Pferdekutschen standen. Mit diesen Kutschen fuhr die Bauernfamilie am Sonntag aus. Sie organisierten auch Kutschenfahrten mit Geschicklichkeitsprüfungen und waren dafür in der ganzen Region bekannt.

Miezi sprang mit einem grossen Satz auf den Kutschen-Führerstand und betrachtete die enorm grosse Scheune. Es gab  hier etliche Pferde-Utensilien: Sättel, Gurte, Decken und Reitstiefel. Von oben herab konnte er alles sehen, was im Stall passierte. Es war ein schönes Plätzchen hier. Er rollte sich zusammen und schlief sofort ein.

Er hatte sicher zwei Stunden geschlafen, als ihn Tigro weckte. Er war ganz aufgeregt und erklärte ihm, er solle sofort mitkommen. Miezi war erst halbwegs wach, doch gehorchte er seinem Bruder. Dieser führte ihn hinter den Stall auf eine kleine Wiese. Dort standen etwa 15 Schafe, die friedlich weideten. Sie hatten wollige Kinder, die sich dicht an die Mütter drängten. Ab und zu tranken sie bei der Mutter Milch. Miezi leckte sich beim Anblick das Schnäuzchen. Wie gerne hätte er jetzt seine Mutter bei sich und einen Mund voll Milch. Er wurde etwas traurig.

Der tägliche Rundgang führte ihn immer wieder in den Stall, wo die leeren Kutschen standen. Auf dem Führerstand hatte er seinen Lieblingsplatz, dort wo Ruhe herrschte und niemand ihn störte. Und dort lernte er eines Tages Tina kennen. Sie war in die Stallungen gekommen, um ihre Katze Sina zu suchen. Sie musste erfahren, dass Sina einen Unfall gehabt hatte und dabei umgekommen war. Miezi tröstete die unglückliche Tina und schnurrte ihr zu, als sie ihn streichelte. Sie freute sich trotz Kummer über den winzigen Kater, der sich an sie drückte. Er war zwar ein Kater, doch kaum grösser als eine Katze. Sie schätzte ihn auf kaum drei Kilos. Sein Bruder war doch einiges grösser, vermutlich darauf zurückzuführen, dass der Bruder die Nase im Napf vorne hatte. Miezi mochte Tina sofort und konnte ihren Kummer verstehen. Er liess sich gerne von ihr streicheln und legte sich voller Wonne auf den Rücken, damit sie ihm den Bauch kraulen konnte. Sie kam von diesem Tag an regelmässig in den Stall, brachte ab und zu etwas Futter mit.

Ab und zu kam auch eine Katzendame zu Besuch. Sie war Miezi in der Farbe sehr ähnlich und etwa gleich alt. Sie hatte nebst der Tigerfärbung noch rote Flecken auf dem Rücken. Ueber die Stirn verlief ihre Haarfarbe wie „Vörhängchen“ fast wie bei Miezi. Sie hiess Tasja und lebte nicht weit vom Reitstall entfernt. Sie erzählte ihm von sich und ihrer Katzenfamilie.

Miezi hörte interessiert zu. Tasja gefiel ihm. Sie spielten zusammen und Miezi bot ihr ein Plätzchen auf dem Führerstand an. So lagen sie zusammen auf der Kutsche, dicht beieinander. Sie waren gute Freunde geworden, bei den Menschen würde man sagen ein Paar.

Gegen Abend ging Tasja immer nach Hause und kehrte jeweils am nächsten Morgen wieder in den Reitstall zurück. Miezi realisierte, dass er sich in die hübsche, weisse Katzendame verliebt hatte. Er wollte mehr über sie erfahren und begleitete sie eines Abends, als sie nach Hause ging.

So stand Miezi eines Abends bei Tina in der Wohnung, zusammen mit Tasja, die wirklich fast gleich aussah. Tina traute zuerst ihren Augen nicht, als sie plötzlich zwei weisse Katzen zu Hause hatte. Die Katzen mussten damals 4,5 Meter Katzenleiter raufklettern und durch eine Katzentüre in die Wohnung kommen. Dies schien Miezi bestens zu beherrschen, obwohl er vorher noch nie eine Katzentüre gesehen hatte. Miezi war sehr zutraulich und verschmust und genoss die Ruhe, die bei Tina zu Hause herrschte. Im Reitstall konnte er normalerweise keine Ruhe finden, da ging es den ganzen Tag hoch her, Pferde rein, Pferde raus, Autos, die kamen und gingen. Er war bei Tina sehr glücklich. Sie informierte den Reitstallbesitzer und versprach ihm, Miezi nicht mit gutem Futter an sich zu binden. Er sollte eigentlich wieder nach Hause gehen, wo auch ein kleiner Junge auf ihn wartete. Doch Miezi wollte das nicht. Er blieb einfach bei ihr und seiner neuen Freundin Tasja. Tina konnte sich schliesslich mit dem Reitstallbesitzer einigen, dass der kleine Kater bei ihr bleiben durfte.

Im kommenden Frühling zog Tina mit ihren Katzen um in eine Parterre-Wohnung mit Garten, und weit weg von der nächsten Strasse lag. Sie hatte mit der Strasse schlechte Erfahrungen gemacht, hatte dort ihre geliebte Sina verloren. Die neue Wohnung war nur etwa 200 Meter von der alten entfernt, so dass Miezi jeden Tag ohne Probleme hätte in seinen Reitstall gehen können. Doch er ging nicht.

Es gefiel ihm bei Tina und seinen Halb-Geschwistern. Im kommenden Sommer stiess Smokie dazu, ein niedliches Grau-Schildpatt-Weibchen. Dies passte Miezi gar nicht. Er hatte sie kurz besichtigt und war stinksauer. Es zog es deshalb vor, den Sommer im Kornfeld zu verbringen, das hinter Tinas Haus lag. Nur ab und zu kam er in der Nacht, um etwas zu fressen. War er Smokie begegnet, hatte er gefaucht und war weggerannt. Tina machte sich Gedanken über das seltsame Verhalten von Miezi. Sie hatte ihn zwar ab und zu mitten in der Nacht in der Wohnung getroffen, als er seinen Hunger gestillt hatte, doch sonst blieb er aus. Sie wusste aber, dass er in der Nähe war, wurde er doch von vielen Nachbarn gesehen.

Und Miezie fühlte sich unglücklich. Wie konnte Tina sich eine neue Katze zulegen und diese ihm vorziehen? Er war traurig und zornig. Ab und zu kam Tasja ins Kornfeld und sprach mit ihm. Sie erzählte ihm, dass Tina die Kleine als Spielkameradin für sie geholt habe. Sie war zuerst auch stinksauer auf den Neuankömmling, hatte sich aber allmählich an sie gewöhnt. Je älter Smokie wurde, desto ruhiger wurde ihr sanftes Wesen.

Die Tage wurden kürzer, der erste Frost überdeckte den Boden. Miezi erkannte, dass der Sommer vorüber war. Und mit dem Herbst kam für Miezi auch die grosse Wende. Als der Bauer das Korn schnitt, war der Sommer für Miezi vorbei. Er sah jetzt ein, dass bei Tina ein warmes Plätzchen mit Katzenbäumen und Lammfellen auf ihn wartete. Deshalb stand er eines Tages wieder vor der Türe mit dem guten Willen, sich mit Smokie zu vertragen. Aus der kleinen Smokie war unterdessen eine hübsche junge Dame geworden, die Miezi erstaunt ansah. Sie war erwachsen geworden. Ihr Fell war dichter und sie war runder geworden. Er betrachtete sie von oben bis unten. Sie ging auf ihn zu und schnupperte mit ihrem grauen Näschen an ihm. Sie rieb ihr Köpfchen an ihm und bot ihm ihre Freundschaft an. Er fühlte sich schlecht, denn er hatte ihr Unrecht getan. Da stand er nun wie ein geprügelter Hund und wusste nicht, was er miauen sollte. Sie begleitete ihn zum Futternapf und bot ihm ihre Ration an. In diesem Moment war der Bann gebrochen. Miezi und Smokie wurden Freunde und haben seither viel miteinander gespielt. Es gab keinen Grund mehr, weshalb Miezi hätte weglaufen sollen.


Miezi und der Schutzengel

Daran hatte sich eigentlich bis heute nichts geändert. Hinter dem Kornfeld, wo eine Riesen-Kiesgrube war, hatte man im folgenden Frühling angefangen, das Feld zu planieren. Man wollte dort eine Strasse bauen und fuhr deshalb mit den Baggern den ganzen Tag hin und her. Vermutlich wurden dadurch Mäuse aufgescheucht, die Miezi liebend gern fressen wollte. Er verbrachte deshalb viel Zeit in der Baugrube, kam nur noch zum Fressen, wenn die Mäuse schneller waren als er. Tina hatte ihn ab und zu dort besucht. Er war dann meistens mit ihr „bei Fuss“ (wie ein Hund) nach Hause marschiert.

Tina ging mit all ihren Katzen spazieren, meistens in den Park, der direkt vor ihrer Wohnung beginnt. Die Tiere liebten es, mit ihr zu spazieren und gleichzeitig miteinander zu spielen. Sie rannten wie die Irren über die Magerwiese, die dort wächst. Und Tina genoss es, ihnen beim bunten Treiben zuzusehen. Sie konnten sich richtig austoben, quer über das grosse Feld speeden, ein herrliches Katzenleben geniessen. Ab und zu hielten sie inne und steckten ihre Nase tief in eine Blume. Für Smokie war der erste Frühling angebrochen, unbekannte Düfte stiegen ihr in die Nase. Es gab Blumen in Hülle und Fülle, die Natur hatte ihre grünen Arme ausgebreitet und die Bäume mit Blättern geschmückt.

Miezi konnte nicht ahnen, dass Tina ihn besonders ins Herz geschlossen hatte, da er so klein und hilflos aussah. Ganz zu Beginn ihrer Freundschaft kam er jede Nacht zu Tina ins Bett und legte sich in ihre Arme. Dazu schnurrte er wie ein kleines Motörchen.

Im nächsten Sommer wurde Miezi wieder unternehmungslustiger. Das Korn wuchs langsam, die Mäuse waren wieder aufgewacht. Es war ein schöner Frühling für Tina und ihre Katzenfamilie. Miezi machte lange Ausflüge in das Gebiet, wo die neue Strasse gebaut wurde. Durch die Baumaschinen wurden schlafende Mäuse aufgescheucht. Es war ein leichtes Spiel für Miezi. Er musste sich nur hinter die Maschinen stellen und warten. Das Fressen wurde ihm serviert.

Als die Nächte wärmer wurden, ging Miezi abends nicht mehr nach Hause. Es war schön, die Nächte unter freiem Himmel zu verbringen. Ab und zu begleitete ihn Emsy und sie gingen gemeinsam auf Mäusefang.

Wegen der Baustelle wurde der Verkehr in das Jagdrevier von Emsy und Miezi umgeleitet. In einer warmen Sommernacht, als Miezi gerade eine Maus jagte, strahlten ihn zwei weisse Lichter an. Er sah nichts mehr, wusste nicht mehr, in welche Richtung er springen sollte. Er spürte einen heftigen Schlag auf den Kopf und wurde zu Boden geschleudert. Seine Glieder schmerzten und er versuchte sofort, davonzurennen. Seine Beine versagten den Dienst. Er konnte sie nicht mehr bewegen. Er sah die nächsten Lichter auf sich zukommen, hörte den Automotor und wusste, seine letzte Minute hatte geschlagen. Er lag mitten auf der Strasse in einer dunklen Nacht und wusste, dass das herannahende Auto ihn überfahren würde. Er verabschiedete sich in Gedanken von seiner Familie und dem Leben und sah dem Tod in die Augen.

Da quietschten die Bremsen, das Auto hielt still. Eine junge Dame stieg aus und sah zu Miezi hinunter, der unentwegt versuchte, von der Strasse wegzukommen. Sie war schockiert und ratlos, hatte Angst, den verletzten Kater zu berühren. Die nachfolgenden Autos kümmerten sich nicht um den verunfallten Kater und seinen Schutzengel. Sie war von der Situation vollkommen überfordert und wusste vorerst keinen Rat. Da nahm sie ihre Jacke, wickelte Miezi darin ein und legte ihn auf den Beifahrersitz. In Windeseile fuhr sie davon, weit, weit weg auf die andere Seite der Stadt. Ihr Weg führte direkt zu einem Tierarzt, bei dem ihre Mutter arbeitete. Dieser kam sofort und schaute sich den kleinen Patienten an. Es sah nicht gut aus um Miezi. Die äusseren Wunden am Kopf waren das eine, doch stand nicht fest, ob Miezi nicht auch innere Verletzungen davongetragen hatte. Der Arzt versorgte den kleinen Patienten soweit dies möglich war und legte ihn auf eine Wolldecke in einen Käfig. Am kommenden Morgen lag Miezi noch immer so da. Das Gesicht war aufgeschwollen, noch immer konnte er die Beine nicht bewegen. Er hatte furchtbare Schmerzen. Der Tierarzt gab ihm Schmerzmittel, die er tapfer schluckte. Sein Schutzengel streichelte ihn und sprach liebevoll mit ihm. Jeden Tag kamen Mutter und Tochter Schutzengel und kümmerten sich um den kleinen Miezi, der noch immer nicht über den Berg war. Auch über die Feiertage umsorgten sie das Kätzchen liebevoll und hofften so sehr, dass er sich erholen würde.

Nach einer Woche ging es mit Miezi aufwärts. Er spürte plötzlich seine Beine wieder und konnte sich an den nächtlichen Unfall erinnern. Noch immer dröhnte es schrecklich in seinem Kopf. Er schnurrte seinen Schutzengeln zu, die ihm frisches Wasser und Futter brachten.

Wenige Tage später durfte er sein Krankenzimmer verlassen. Er spazierte durch die Praxis, als ob er hier zuhause wäre. Die Terrier und Schäferhunde schauten ihn verwundert an. Er durfte dem Tierarzt bei seiner Arbeit zuschauen und ihn auf seinen Visiten begleiten, von einem Behandlungszimmer ins andere. Es war sehr aufregend hier und Miezi lernte manches. Er erkannte, dass die Tierärzte den Vierbeinern helfen und man vor ihnen keine Angst haben musste.

Er fragte sich allmählich, wo er war und warum ihn Tina nicht vermisste. Da hatte er sich aber stark getäuscht. Tina suchte ihn bereits seit Tagen. Zuerst dachte sie, es sei das Frühlingswetter und das wieder wachsende Kornfeld, das Miezi nach draussen zog. Doch dann merkte sie, dass er auch nachts nicht zum Fressen nach Hause kam. Sie wurde unruhig und fragte beim Tierfundbüro nach, ob irgendwo ein Kater zugelaufen war, auf den Miezis Beschreibung passte. Die Antwort war negativ und Tina fragte in der ganzen Nachbarschaft nach, ob irgendjemand ihren Miezi gesehen hatte. Er war spurlos verschwunden.

Nach den Feiertagen meldete sie sich erneut beim Tierfundbüro und erfuhr, dass ein Kater vor zwei Wochen überfahren worden war, auf den Miezis Beschreibung passte. So kam sie in die Tierarztpraxis, in der Miezi versorgt wurde. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, als sie Miezi da sitzen sass, der friedlich vor sich hin schnurrte. Sie war überglücklich, als sie ihren Kater in die Arme schliessen durfte und diesen, fast wieder gesund, mit nach Hause nehmen durfte. Er bedankte sich bei seinen Schutzengeln mit Köpfchengeben und Schnurren. Er würde stets an sie denken und ihnen sein ganzes Leben lang dankbar sein. Wäre das Mädchen nicht gewesen, wäre Miezi umgekommen.

Zuhause kletterte er auf den Hochsitz im kleinen Zimmer. Dort schlief er den ganzen Tag. Ueber den Mittag, als Tina nach Hause kam, liess er sich kaum wecken. Sie dachte, er musste ein Schlafmanko haben von den Erlebnissen der letzten Tage.

Am übernächsten Abend, als sie von der Arbeit nach Hause kam, war Miezi verschwunden, und dies blieb auch an den folgenden Tagen so. Es war für sie unerklärlich, was vorgefallen sein soll. Sie nahm nicht an, dass Miezi aus dem Unfall nichts gelernt hatte und direkt unter das nächste Auto gelaufen war. Sie suchte ihn Tag für Tag und Nacht für Nacht, zu Fuss und mit dem Fahrrad. Sie ging in die Richtung, wo er damals den Unfall gehabt hatte. Irgendetwas dort musste ihn magisch anziehen, sie wusste nur nicht, was es war. Niemand hatte ihn gesehen. Sie schrieb erneut Suchmeldungen und hängte diese auf. Zudem benachrichtigte sie erneut das Tierfundbüro.

Eine Woche später, als Tina gegen Mitternacht in die Einstellhalle fuhr, beschloss sie, einen nächtlichen Spaziergang über die Felder zu machen. Sie rief leise Miezis Namen. Jetzt, wo es so still war und kein Verkehr herrschte, müsste er sie eigentlich hören. Nichts passierte und Tina ging nach Hause. Sie schloss die Wohnung auf. Sie war todmüde, hatte einen sehr strengen Tag hinter sich und wollte nur noch schlafen.

Sie war noch nicht im Bett, als sie plötzlich die Katzentüre hörte. Miezi stand da und schaut zu ihr hoch mit fragender Miene als wolle er sagen „was schreist du mitten in der Nacht durch die Gegend, ich bin doch wieder da.“
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