Prolog
Buch 7
Es gibt sie
überall auf der Welt, die lebendigen Dosenöffner. Sie sind die Angestellten
unserer Haustiere, ihre Bediensteten. Wer glaubt, eine Katze zu besitzen,
täuscht sich. Für die Stubentiger sind wir in erster Linie Mittel zum Zweck.
Wir besorgen ihnen das Futter und bequeme Kissen, dafür lassen sie sich
streicheln. Dies aber nur, wenn die Katze bereit ist und es zulässt. Sie hat
den Menschen voll im Griff, vermittelt ihm aber in gekonnter Weise, dass er der
Boss ist. Dabei ist es gerade umgekehrt.
Die
Dosenöffner tun ihre Pflicht, mindestens zwei Mal täglich. Sie verursachen bei
ihrer Tätigkeit ein Geräusch, das die Katze im hintersten Winkel des Hauses
hört. „Klick!“. Dies heisst, dass die Dose nun offen ist und es was zu fressen
gibt. Der Erfinder des Dosenfutters ist bestimmt reich geworden. Früher, als
man die Katzen noch mit Milchbrocken oder Tischabfällen fütterte, wurden die
Tiere krank. Heute nun findet man im Dosenfutter all das, was das Tier braucht
und es gesund hält. Und sauber ist die Sache auch noch; Klick – Dose auf,
Futter raus – Dose auswaschen und entsorgen. Natürlich gab es früher weniger
Abfälle, doch das stört die Katzen nicht. Sie lachen nur über den Menschen, der
sich den Rücken krumm macht, um die schweren Dosen anzuschleppen und dafür auch
noch viel Geld ausgibt. Am Schluss darf er das Leergut wieder entsorgen. Wenn
man einen so grossen Katzenhaushalt unterhält wie ich, muss das Entsorgen auf
die Randstunden verschieben, wenn sicher niemand am Entsorgungscontainer ist.
Der Dosenberg verursacht einen Riesenkrach, wenn er in der Mulde verschwindet.
Passanten würden davon ausgehen, dass ich mich selber ausschliesslich aus Dosen
ernähre.
Unsere Schleckmäuler
sind zudem noch sehr wählerisch. Nicht jedes Futter mundet gleich gut. Während
manche von ihnen ausschliesslich Trockenfutter bekommen, wird anderen Beutel-
oder Schalenfutter vorgesetzt. Dies wäre ihnen eigentlich viel lieber, da es in
den Beuteln die leckersten Sorten gibt. Aber bei diesem Futter fehlt der
entscheidende Moment, das Klick beim Oeffnen. Und das ist Pflicht, wie das Amen
in der Kirche.
Unsere Katzen
lieben uns, weil wir gut zu ihnen sind, denken die Dosenöffner. Aber auch hier
machen uns die Katzen etwas vor. Sie lieben vor allem unsere Dosen und deren
Inhalt. Doch wir wollen unsere Stubentiger nicht nur schlecht machen.
Irgendwann haben wir uns für dieses Haustier entschieden. Auch wenn uns die
Katzen als ihre Sklaven betrachten, geben sie uns doch viel zurück. Sie liegen
schnurrend in unserem Schoss und stehen schon da, wenn wir nach Hause kommen. Wir
entnehmen ihrem liebevollen Blick, dass sie voller Sehnsucht auf unsere
Rückkehr gewartet haben. Dabei schauen sie direkt in unsere Einkaufstüte und
fragen sich, ob wohl genug Futter darin ist.
„Es sind sehr
saubere Tiere“, sagen wir immer wieder. „Sie verscharren ihren Dreck, damit er
uns nicht in die Nase steigt.“ Dabei finden sie es einfach unverschämt, dass
wir nicht sofort nach jedem Toilettengang hineilen und ihre Hinterlassenschaft entsorgen.
Wenn sie am Futternapf wieder mal eine Schweinerei verursacht haben, erwarten
sie von ihrem Menschen, dass er dies reinigt, bevor die nächste Mahlzeit
ansteht.
Sie verstehen
uns besser als wir denken. Wenn wir wieder mal laut werden und mit ihnen
schimpfen, da sie miteinander gestritten haben, ziehen sie den Schwanz ein und
verkriechen sich hoch auf den Kratzbaum. Wir denken, dass sie es verstanden
haben und sich schämen. Aber auch das ist falsch. Eigentlich bringen sie sich nur
in sicheren Abstand, um der Strafe zu entgehen.
So richtig
den Chef lassen sie erst raus, wenn es um Medikamente oder eine Wurmkur geht.
Da entwickeln sie unglaubliche Kräfte und Talente. Sie verschliessen ihren Mund
als sei dieser zubetoniert. Dabei drehen sie ihren Kopf hin und her, um der
Tablette zu entgehen, und fahren unten ihre Krallen gefährlich nach uns aus.
Doch wir lebende Dosenöffner haben vollstes Verständnis dafür. Wir fänden es sicher
auch nicht sehr spassig, so bittere Pillen zu schlucken. Es gibt kaum einen
Ausrutscher, den wir nicht verzeihen. „Liebe macht blind“, ein weiser Spruch.
Und der trifft in unserer Beziehung wirklich zu.
Doch was
wären wir nur, wenn es sie nicht gäbe – einsam und arm. Wir hätten nie
erfahren, was echte Liebe ist. Auch wenn uns die Samtpfoten oft belächeln, lieben
sie uns bedingungslos ohne Wenn und Aber. Und diese Liebe zeigen sie uns auf
ihre Weise. Wir können ihr nicht entrinnen, sind ihr hilflos ausgeliefert. Das
ist die wahre Liebe.